Sebastian Sternberg

Richard Wagner - Tristan und Isolde - Auszüge
(Edition Frida Leider, FLG 11031933)

"Tristan" mit Frida Leider

Die kürzlich in Berlin gegründete Frida-Leider-Gesellschaft hat ihre erste Visitenkarte abgegeben: Szenen aus zwei Aufführungen von "Tristan und Isolde" in der Metropolitan Opera in New York aus dem Jahre 1933 im Selbstverlag (FLG 11031933). Das ist ein furioser Auftakt, denn die einst von einem amerikanischen Amateur am Radio mitgeschnittenen Szenen waren bislang so gut wie nicht zugänglich. Natürlich taugen sie nicht unbedingt, einen unbedarften Anfänger akustisch in die "Tristan"-Welt einführen zu wollen. Es bedarf schon etwas wohlgeübterer Ohren, um den Wert dieses Dokumentes in seiner ganzen Bedeutung würdigen zu können. Eines wird aber ohne jede Einschränkung deutlich - dass nämlich FRIDA LEIDER mit ihrer lyrisch gehaltenen, ins Dunkle neigenden Stimme auch die größten Häuser ausfüllen konnte. Das hatten wir bisher zwar immer wieder lesen, aber in dieser Form nicht nachprüfen können. Jetzt können wir! Und sind tief bewegt, diese große Sängerin sozusagen nach 70 Jahren endlich live erleben zu können. Der Ton ist ungemein konzentriert, differenziert und in der Beherrschung des feinen musikalischen Details ohne jedes Beispiel. Alsbald haben wir die erwähnten technischen Einschränkungen vergessen und geben uns ganz diesem Klangerlebnis hin. Die einzelnen Sequenzen sind unterschiedlich lang und brechen oft an den unpassendsten Stellen ab. Doch mehr ist nun mal nicht überliefert. Die Techniker haben ganz Arbeit geleistet, das Puzzle auf geschickte Weise zusammengeführt und den Klang nach Maßgabe von Nebengeräuschen befreit, ohne dass die künstlerische Aussage verloren geht. Neben der Leider hören wir den wie immer tüchtigen LAURITZ MELCHIOR (wen sonst?) als Tristan, MARIA OLSZEWSKA als Brängäne und FRIEDRICH SCHORR bzw. GUSTAV SCHÜTZENDORF als Kurwenai sowie LUDWIG HOFMANN als König Marke. Am Pult steht ARTHUR BODANZKY.

Die rührige Frida-Leider-Gesellschaft, die im Internet unter der Adresse www.frida-leider.de zu erreichen ist und dort auch Bestellungen für die CD entgegennimmt, hat noch viel vor und will nach und nach den gesamten akustischen Nachlass der in Berlin geborenen Hochdramatischen neu veröffentlichen - und damit auch diskographische Ordnung in die weit verstreuten Dokumente bringen. Darauf freut sich der Fan sehr und wünscht gutes Gelingen.

Orpheus 11/12 2003

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