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"Neues von Frida"

Weitere Funde in der Frida-Leider-Edition

Die Sensation wiegt gerade einmal 300 Gramm, hat ein schmutzig-graues Etikett "Factory Sample", zusätzlich klebt noch ein maschinegeschriebenes kleines Etikett darauf, und erst bei genauer Betrachtung erschließt sich selbst dem Insider das Unglaubliche - exakt 75 Jahre nach der Aufnahme taucht eine Testpressung von einem der beiden verschollenen Takes des "Tristan"-Duettes mit Frida Leider und Lauritz Melchior vom 6. Mai 1929 auf. Dieser und der vorhergehende wurden im September 1929 in Berlin erneut eingespielt - auch nach der Entdeckung bleibt unklar, warum er nicht zur Veröffentlichung freigegeben wurde.

Es ist dies nicht die erste und einzige Entdeckung, seit wir uns an die Neuordnung und Komplettierung der Diskographie Frida Leiders gewagt haben. Schon bei der Produktion der CD, "Sämtliche Liedaufnahmen" ist es uns gelungen, eine bisher im DRA schlummernde Schumann-Aufnahme zu entdecken und erstmals zugänglich zu machen. Der "Tristan"-Mitschnitt aus New York war bisher ja auch nur auf den legendären EJS-Platten in kaum zumutbarer "Qualität" erhältlich - sofern man die seltenen Platten überhaupt auftreiben konnte.

Ende Mai erscheinen nun auch endlich alle als authentisch anzusehenden Londoner Mitschnitte aus den Jahren 1936 und 1938. Diese waren noch nie in einem sinnvollen Kontext, auch noch nie in einer Box oder auf einem Label zu haben. Der kleine Ausschnitt aus der "Walküre" unter Furtwängler war noch auf keinem offiziellen Label erschienen, er kursierte teilweise mit falscher Datierung, ist aber eindeutig Teil des letzten "Ring"-Zyklus, den Frida Leider in London gesungen hat.

Mit den Bruchstücken aus den "Götterdämmerung"-Aufführungen wurden übrigens schon üble Tricks versucht - verschnitten mit Mailänder Live-Aufnahmen, in denen Max Lorenz den Siegfried sang, wurden sie als Bayreuther Mitschnitt von 1937 ausgegeben... Der einzig authentische Mitschnitt mit der Leider aus Bayreuth sind wenige Minuten des dritten "Walküre"-Aktes von 1934, die gemeinsam mit großen Teilen einer "Walküre"-Aufführung der Met in New York, ebenfalls von 1934, im nächsten Jahr im Rahmen der "Edition Frida Leider" erscheinen werden. Auch im Fall dieser New Yorker Aufnahme ist es gelungen, eine falsche Zuschreibung richtig zu stellen - eine Passage Siegmunds, von Paul Althouse gesungen, wurde aus einer Aufführung von 1935 "ausgeliehen". An gleicher Stelle begegnet man auch dem Londoner "Hojotoho" Frida Leiders. Geschickt wird die kurze Passage Wotans und Frickas weggelassen - es sind schließlich andere Sänger! Ebenfalls im Jahr 2005 soll anlässlich des 30. Todestages von Frida Leider eine Doppel-CD mit einem langen Rundfunkinterview, angereichert durch einige bisher unveröffentlichte Musikaufnahmen, erscheinen. Sie wird auch Aufnahmen des Geigers Rudolf Deman, des Gatten Frida Leiders, enthalten. In den folgenden Jahren werden dann schließlich auch noch die bekannten Studio-Aufnahmen, geordnet nach Komponisten und Werken, erscheinen. Hoffentlich ergänzt durch weitere Funde und Entdeckungen - für die es, wie das eingangs erwähnte Beispiel zeigt, nie zu spät ist. Auch fast dreißig Jahre nach ihrem Tod ist Frida Leider immer noch für Überraschungen gut!

Orpheus 9/10 2004

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