M. Wilks

Frida Leider - Sämtliche Liedaufnahmen 1922 - 1944
(Edition Frida Leider, FLG 19221944)

Eine zweite von der Frida-Leider-Gesellschaft herausgegebene CD dokumentiert sämtliche Lied-Aufnahmen der 1888 geborenen Künstlerin. Das sind mit 25 Titeln zwar nicht viele, doch möchte man sie nicht missen, denn sie erlauben einen wertvollen Einblick in die Art der Lied-lnterpretation zwischen 1922 und 1944. In diesem Zeitraum hat Frida Leider Kunstlieder von Franz Schubert, Robert Schumann, Hugo Wolf und Richard Wagner vor Mikrofonen interpretiert. Dabei reduzierte sie ihre große, hochdramatische Stimme auf ein etwas intimeres Maß, ohne jedoch mit der Delikatesse späterer Liedspezialisten zu intonieren. Auch das Anschleifen vieler Töne mag seinerzeit zum üblichen Gesangsstil gehört haben, wirkt heutzutage jedoch eher nachlässig. Doch Frida Leiders durchaus kluge Textgestaltung und ihr Ausdrucksvermögen repräsentieren hohe Tugenden des Liedgesangs. Die gefeierte Wagner-Sängerin wusste die schwülstige, irreale Atmosphäre der "Wesendonck-Lieder" ebenso aufzuzeigen wie das humorvolle Element etwa in Schumanns "Marienwürmchen". Ihr Gesangsstil zeigt sich exemplarisch in Schuberts "Erlkönig". Hier lernt der aufmerksame Hörer, wie man auf engem Raum drei unterschiedliche Charaktere vokal darstellen kann, ohne dabei die Stimmfarbe - wie häufig zu erleben - zu sehr zu verändern oder gar zu verstellen. Frida Leider gründete ihre Deutung vielmehr auf Wechsel in der Dynamik, im Atemdruck und in der Intensität der Stimmführung. Die 19 Klavierlieder dieser CD sind allesamt von Michael Raucheisen begleitet und in einem historischen, gut anhörbaren Klangbild veröffentlicht worden. Einen erhöhten Rauschfaktor muss man nur bei den Wesendonck-Liedern in Kauf nehmen; dafür darf der Hörer bei den Teilen "Schmerzen" und "Träume" jeweils zwei aufgenommene Fassungen vergleichen (1922 und 1928/1931), während "Stehe still!" als einziges der fünf Wesendonck-Stücke nicht konserviert wurde. Zehn Nummern sind übrigens erstmals auf CD erschienen, und Frida Leiders Interpretation von Schumanns "Das verlassene Mägdelein" ist gar eine Erstveröffentlichung.

Das Opernglas 2/2004

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